(Stand: 21.11.24, Adresse: http://www.grammiweb.de/informativ/kolumne/kolumne16.shtml)
CSS-Extremisten
Ich gestehe: Ich bin Atheist. Nicht im offiziellen, religiösen Sinne, eher in der webdesignerischen, modeanfälligen Definition. Dabei leugne ich nicht den Gott, dessen Missionare ihn unermüdlich lobpreisen, sondern akzeptiere neben ihm noch andere, gleichwertige Allväter an, die in gemeinsamer Einhelligkeit die Netzwelt beherrschen.
Der Gott, dessen Kirchen ich ebenso wie die der anderen besuche, hört auf den Namen "zeh-ess-ess-basiertes Layout", seine Jünger nennen ihn liebevoll "CSS". Und eben unter diesen Jüngern haben sich so genannte CSS-Extremisten hervorgetan, die keine Gelegenheit auslassen (und selbst wenn's keine gibt, schaffen sie's trotzdem), Lobgesang auf sein Tun zu intonieren und uns, also den Tabellenfreunden und vor allem den Frame-Satanisten, einzubläuen, dass wir die falschen Götzen anbeten, die uns über kurz oder lang in den Hades der Bitwelt führen werden. Häufig untermauern die Gotteskrieger ihr Ansinnen noch mit Webseiten-Attentaten, also eigenen Seiten, die eher an gestalterischen Suizid denken lassen, als an professionelles Webdesign. Da wird dann gerne mal ein Layer verlegt, ein Container verstapelt oder ein Browser gecrosst - brrr, beängstigend.
Wir Ungläubigen wiederum kennen CSS meist recht gut, haben uns mit seinen Katechismen beschäftigt und Teile seiner Religion für uns angenommen. Dabei haben wir Grenzen gesetzt, die häufig aus den Gegebenheiten entstanden. So gibt es immer noch (allen Unkenrufen zum Trotz) Anwendungsnotwendigkeiten für Frames, und vielleicht gefällt den Tabellennutzern ja auch, dass ihre Besucher trotz abgeschaltetem CSS, trotz irrsinnigster Browserinterpretationen und trotz eines kleinen Fehlers in der CSS-Definition das zu sehen bekommen, was sie sehen sollen. Die CSS-Apostel halten dann dagegen, dass ihr Glaube zu besserer Lesbarkeit (?) führt, dass ihre Seiten leichter zu warten (?) und universeller (?) wären. Dabei führen sie dann gerne noch die sehbeeinträchtigte Surferschar an, die mit Screenreadern durch die weite Webwelt reist - jedoch ohne auch nur ein einziges Mal eine solche Software gesehen zu haben. Denn selbst mit diesen extremen Hilfsmitteln gibt es bei vernünftig (!) gestalteten Seiten eigentlich nahezu keine Unterschiede zwischen CSS und Tabelle.
Diese Verfechter der "neuen Webtechnik" sind wahrscheinlich diejenigen, die vor einigen Jahren gepredit haben, ohne Flash wäre es bald unmöglich, eine Internetseite zu gestalten. Vielleicht sind sie auch deren Söhne und Töchter, oder sonstwie verwandt und verschwägert. Auf jeden Fall haben sie ihren Idealismus, und leider oft auch ihre Engstirnigkeit. Warum, fragt man sich als neutraler und nicht modenanhängiger Webdesigner, investieren manche Menschen viel Zeit und Kraft darin, ihre Überzeugungen zu verbreiten, statt zu akzeptieren, dass es neben ihrem Weg auch noch andere Wege gibt, die ans Ziel führen, und dass ihre Weisheiten nicht unbedingt derer letzter Schluß sind? Wäre es für diese Leute nicht sinnvoller, lesenswerte Inhalte zu schaffen, oder zum Beispiel Seiten, die den bisher davon unberührten Besucher von ihrer Ansicht überzeugen?
Kleine Anmerkung: Der unwiderstehliche Drang, diese Kolumne zu schreiben, kam auf, als ich in einem PHP-Forum einen Beitrag las, in dem jemand nach einem eigentlich recht eindeutigen Fehler suchte. In einem Antwortposting, dessen kurzer Tenor im Grunde "den Fehler habe ich nicht gefunden" war, ging dann einer dieser CSS-Missionare auf das Seitenlayout in Tabellenform ein, welches mit CSS wesentlich besser zu realisieren wäre (wobei das Layout laut W3C keine Komplikationen aufwies). Dieser eigentliche Inhalt seiner (nicht erbetenen) Antwort füllte dann drei Bildschirmseiten. Als ich mir dann die restlichen (nicht gerade wenigen) Postings dieses Jüngers von eigenen Gnaden anschaute, traf ich im Endeffekt auf immer das gleiche "Benutzt doch CSS"-Mantra, in unterschiedlicher Güte und meist mit recht fraglichem Zusammenhang zur ursprünglichen Aufgabenstellung - und das geht jedem auf die Dauer extrem auf den Quelltext.
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